Verbringst du dein Leben noch im Treppenhaus der Unent- schlossenheit?

Eine bewusste Entscheidung zu treffen fällt uns manchmal schwer. Geht es dir auch so? Vor deiner Nase tun sich verschiedenste Möglichkeiten auf und du hast Schwierigkeiten zuzugreifen und dich für eine zu entscheiden? Das kann schon bei scheinbar einfachen Entscheidungen, wie der Auswahl deines Abendessens aus der Speisekarte im Restaurant passieren, bis hin zu schwerwiegenden Entscheidungen, z.B. welchen Studiengang du belegen oder welchen Beruf du ergreifen sollst.

Dieser Moment ist spannend und lähmend zugleich. Je länger du die Entscheidung hinauszögest, desto unerträglicher wird er aber – außer natürlich, du nutzt die Macht der Verdrängung und setzt deine Taubheitsschwelle kurzerhand so hoch, dass du die Spannung nicht mehr fühlst (z.B.: „Ich spiel erst mal eine Runde World of Warcraft oder schau mal was auf Facebook los ist.“). Dann hoffst du vielleicht auf ein Zeichen oder dass dir jemand anderes die Entscheidung abnimmt oder dass der Kelch einfach so an dir vorübergeht. „Ich muss mich ja noch nicht heute entscheiden!“.

Das Dumme ist, in diesem Zwischenraum – oder besser gesagt ist es ja eher ein Vor-Raum, so wie der Flur in deiner Wohnung – in diesem Raum passiert NICHTS! Rein gar NICHTS! Es ist der Raum, in dem du vielleicht deine Schuhe anziehst, deinen Schlüssel greifst und dich fertig machst, um loszugehen in den nächsten Raum. Hier ist es weder gemütlich, noch warm, noch ist der Raum dazu gedacht, um dich länger dort aufzuhalten. Es ist ein toter Raum, der nur dem Übergang dient. Und nichts desto trotz, gibt es Menschen, die diesen Raum zu ihrem Zuhause gemacht haben, die sich hier häuslich eingerichtet haben – im Treppenhaus der Unentschlossenheit oder im Wartezimmer des Lebens. Und zwar genau aus dem Grund, weil hier NICHTS passiert und ihnen deshalb vermeintlich nichts passieren kann.

Sich nicht zu entscheiden ist wie tief einzuatmen und dann den Atem anzuhalten. Das fühlt sich eine Zeit lang ganz gut an: vor dir alle Möglichkeiten dieser Welt, wow, du brauchst nur zuzugreifen! Aber du tust es nicht.

Und warum? Ganz einfach: Scheiden tut weh!

Möglichkeiten adé – (ent-)scheiden tut weh!

Vielleicht kennst du das Kinderlied „Winter adé – scheiden tut weh“? Genauso ist es beim Entscheiden, denn jede Entscheidung bringt einen kleinen Tod mit sich. Was in dem Moment der Entscheidung stirbt, sind all die anderen Möglichkeiten, all die anderen Alternativen gegen du dich in dem Moment entscheidest. Und dieser Abschied ist mit Schmerz verbunden. Es ist der Preis, den du bei jeder Entscheidung bezahlst – denn jede Entscheidung hat ihren individuellen Preis.

Der Preis einer Entscheidung ist/sind, z.B.

  • die abgewählten Alternativen, die in dem Moment dann nicht mehr zur Verfügung stehen
  • mit den Konsequenzen der Entscheidung zu leben
  • kein Opfer mehr zu sein
  • niemand anderen für deine Situation beschuldigen zu können
  • Stellung zu beziehen und sichtbar zu werden
  • in Aktion zu treten, weiterzugehen
  • Feedback zu bekommen
  • Resultate zu erzielen, von denen du noch nicht weiß, ob du sie dir gefallen werden
  • u.v.m.

Manchmal glaubst du vielleicht, du könntest diesen Preis umgehen und den Schmerz vermeiden, indem du dich einfach nicht entscheidest. So bleiben dir alle Möglichkeiten offen – das redest du dir jedenfalls ein und zahlst damit, ohne es zu merken, einen viel höheren Preis. Du zahlst mit deinem Leben!

Bewusste Entscheidungen zu treffen, ist der aktive fortlaufende Akt schöpferischen Gestaltens eines initiierten Erwachsenen (Vielleicht musst du diesen Satz zwei-/dreimal lesen). Ein Erwachsener ist bereit, den vollen Preis für seine Entscheidungen zu bezahlen.

Nicht Entscheiden ist auch eine Entscheidung!

Die Gründe, warum du Entscheidungen manchmal vor dir herschiebst, können mannigfaltig sein. Hier ist eine Auswahl:

  • Du hast Angst einen Fehler zu machen, d.h. die falsche Entscheidung zu treffen
  • Du willst keine Verantwortung übernehmen, nicht schuld am Ergebnis sein
  • Du glaubst, du weißt noch zu wenig und hast noch nicht genügend Informationen, um eine Entscheidung zu treffen
  • Du glaubst noch an das Konzept von „Sicherheit“ und „Garantie“ und wartest, bis du ganz sicher bist
  • Du hast Angst dich zu verpflichten, dich festzulegen oder in Abhängigkeit zu geraten
  • Du hast Angst, gefangen zu sein in deiner Entscheidung – für immer und ewig!!
  • etc.

Welche sind deine Lieblingsgründe? Diese Gründe sind total nachvollziehbar und bestens bekannt, denn wir leben in einer Gesellschaft, die „Sicherheit“ als einen der höchsten Werte propagiert. Ganze Branchen leben davon, dass Menschen vermeintlicher Sicherheit hinterherjagen. Doch Sicherheit ist eine Illusion!

Der einzige Gewinn den du hast, wenn du dich nicht entscheidest, liegt darin diese Angst, diese Unsicherheit nicht fühlen zu müssen und dich als Opfer der Umstände ausgeben zu können. Sonst gibt es keinerlei Nutzen! Da stellt sich doch die Frage, ob es das wert ist, um es mit deinem Leben zu bezahlen?

Es braucht Wut, um sich zu entscheiden

Nein, es handelt sich nicht um einen Tippfehler – es heißt tatsächlich Wut nicht Mut. Es braucht natürlich auch Mut, um die Entscheidung dann in die Tat umzusetzen. Vielleicht kennst du diesen Spruch: „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Entscheidung, dass es etwas wichtigeres gibt als die Angst. Die Tapferen leben vielleicht nicht ewig, aber die Zögernden leben überhaupt nicht.“ Ehrlich gesagt, habe ich das Wort „Entscheidung“ in das Zitat hineingeschmuggelt, weil ich es tatsächlich so empfinde. Mut ist eine bewusste Entscheidung! Und für eine Entscheidung braucht es Wut!

Es steckt eigentlich schon im Wort „Entscheidung“ drin. Ent-Scheidung heißt, das Schwert aus der Scheide zu ziehen, um etwas bewusst abzuschneiden, etwas zu trennen. Das trifft auch für das englische Wort „Decision“ zu. Es stammt vom lateinischen de-caedere, was so viel heißt wie „abschneiden“. Beim Entscheiden handelt es sich also um einen bewussten, man könnte sogar sagen einen gewaltsamen Akt (= Wut), bei dem du mit deinem Schwert der Klarheit die gewählte Alternative von den abgewählten Alternativen abschneidest. Zack! Und durch diesen bewussten Akt entsteht Kraft und Energie, welche der gewählten Alternative dann voll und ganz zur Verfügung stehen. Es ist wie ein Befreiungsschlag oder auch wie eine Geburt. Die Kraft, die vorher noch auf alle möglichen Alternativen verteilt war, kann sich jetzt auf die gewählte Alternative konzentrieren. Indem du die anderen Alternativen gehen bzw. sterben lässt, erweckst du die gewählte Alternative vollständig zum Leben! Das ist die Magie der Entscheidung!

Ich habe das selbst mal sehr eindrücklich erlebt. Ich hatte seitdem ich ein Kind war den Traum, Tänzerin zu werden. Es war ein sehr, sehr kraftvoller Traum, der mich meine ganze Kindheit und Jugend lang begleitet hat, bis ich ihn irgendwann vergessen hatte. Mit ca. 31 Jahren saß ich eines Abends im Kino und sah den Film „Billy Elliot – I will dance!“. Ich saß zweieinhalb Stunden vor der Leinwand und weinte bitterlich. Ich fuhr nach Hause und weinte immer noch. Ich weinte die ganze Nacht. Bis ich mich irgendwann an meinen alten Traum, Tänzerin zu werden, erinnerte. Und da wurde mir klar: ich hatte diesen Traum nie verabschiedet. Ich hatte mich noch nicht wirklich dagegen entschieden. Ein Teil meiner Aufmerksamkeit, Energie und Kraft, war immer noch in diesem Traum gebunden. Ein Teil von mir wollte auch mit 31 noch Tänzerin werden.

Also ging ich her und entschied mich in diesem Moment bewusst dagegen, den Berufsweg einer Tänzerin einzuschlagen. Ich führte ein kleines Ritual durch, bei dem ich mich ganz offiziell von diesem Traum verabschiedete. Das Bild das ich bei diesem Ritual sah, war ein großer Baum der einen mächtigen Seitentrieb entwickelt hatte. Diesen hieb ich mit einer Axt ab, was zur Folge hatte, dass die in dem Seitenast gebundene Lebensenergie, ab dem Zeitpunkt dem Hauptstamm des Baumes zur Verfügung stand. Was danach passierte, kann ich heute noch kaum glauben. Nach langen Jahren des Zweifelns und Zögerns, fand ich ein Jahr später meine Berufung als Trainerin und Coach.

Und hier noch ein in unserer Gesellschaft gut gehütetes Geheimnis: Eine Entscheidung gilt nicht für ein ganzes Leben – außer du willst das! Du kannst dich in jedem Moment neu entscheiden! Im Grunde triffst du jeden Moment Entscheidungen, ohne es zu bemerken. Jede kleine Bewegung, jeder Schritt, jeder Blick bedarf deiner Entscheidung. Auch wenn im Moment der Entscheidung die übrigen Alternativen nicht mehr zur Verfügung stehen, tun sich schon im nächsten Moment nach deiner Entscheidung wieder neue Möglichkeiten auf. Wenn dir das bewusst wird, gibt es keinen Grund mehr, dein Leben im Treppenhaus der Unentschlossenheit zu verbringen, während gleich vor deiner Tür das pulsierende „abenteuerliche“ Leben auf dich wartet! Wofür entscheidest du dich?

Herzlichst
Deine Patrizia