Wie das widersprüchliche Paradigma vom „Erwachsen Sein“ dein Leben untergräbt

Ich weiß nicht, ob du dir schon mal über’s Erwachsen Sein Gedanken gemacht hast. Ich habe in meiner Vergangenheit nicht viele Gedanken daran verschwendet – außer in der Zeit zwischen 16 und 18, als das Thema brandaktuell war. Und ich kann mich erinnern, dass zu dieser Zeit in Bezug auf Erwachsen-Sein zwei total gegensätzliche Impulse in mir „wüteten“.

1.Impuls:
Hoffentlich werde ich bald erwachsen (= volljährig) und kann machen was ich will!

2. Impuls:
Oh Mann, Erwachsen-Sein ist echt uncool, anstrengend und spießig, … Ich will nie so werden wie meine Eltern und all die anderen erwachsenen Zombies.

Interessanterweise konnte ich damals diesen Widerspruch nicht wirklich bewusst wahrnehmen. Er äußerte sich lediglich in einer den meisten Jugendlichen bekannten emotionalen inneren Zerrissenheit, die in dem Wunsch mündete: Volljährig werden: JA – Erwachsen werden: NEIN! Was danach kam würde ich heute rückblickend als das Leben eines volljährigen Jugendlichen bezeichnen. Erst mit 36 Jahren bekam ich einen ersten Hinweis darauf, was Erwachsen-Sein wirklich bedeuten könnte und die Möglichkeit mich selbst von dem volljährigen Jugendlichen, der ich immer noch größtenteils war, zu einem echten Erwachsenen zu transformieren (um ehrlich zu sein – ich stecke immer noch mitten drin in diesem Transformationsprozess!).

Und vielleicht fragst du dich jetzt, warum das erstrebenswert sein sollte – sich seine Jugendlichkeit zu bewahren ist doch toll! Und genau das ist das Problem – unsere Gesellschaft leidet unbewusst an einem kollektiven Peter-Pan-Syndrom! Und daran krankt nicht nur dein persönliches Leben, weil es dir z.B. nicht erlaubt, den Weg deiner Berufung zu gehen, sondern es führt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dazu, dass menschliches Leben auf dem Planeten Erde über kurz oder lang ausgelöscht wird. Ja, das ist mein Ernst – bitterer Ernst!

Wir leben in einer Gesellschaft von volljährigen “Halbstarken”

Wir leben in einer Gesellschaft von volljährigen „Halbstarken“ und das hat seine Folgen – persönlich genauso wie global. Aber lass uns nochmal einen Schritt zurückgehen, damit das klarer wird. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Jugendlichen und einem Erwachsenen? Im Grunde geht es um den Grad an Verantwortung, den eine Person in der Lage ist, zu übernehmen. Kinder und Jugendliche übernehmen im Vergleich zu einem echten Erwachsenen nur einen geringeren Grad an Verantwortung.

Ein Kind/Jugendlicher …

  • wird nicht voll zur Verantwortung gezogen für sein Handeln
  • macht sich keine bzw. wenig Gedanken über die Konsequenzen seines Handelns
  • bezahlt den halben Preis
  • denkt in der Regel an „Ich, Ich, Ich“ und „Meins, Meins, Meins“
  • geht noch davon aus, dass jemand (ein Erwachsener) hinter ihm herräumt
  • verlässt sich darauf, dass jemand (ein Erwachsener) für sein Überleben sorgt
  • hat teilweise naive Vorstellungen über die Welt
  • ist „bedürftig“, also abhängig von Liebe, Anerkennung, Schutz, Geld, usw.
  • etc.

Das ist im Normalfall die Entwicklungs-Schutzzone eines Kindes. Und das ist völlig ok – für Kinder und Jugendliche. Es ist ganz normaler Teil unserer Entwicklung. Zum Problem wird das Ganze erst, wenn wir von unserer Entwicklung her in der Lage wären, in die nächste Phase, nämlich die des Erwachsenen zu wechseln – was ca. ab dem 15. Lebensjahr möglich ist – dies aber nicht aktiv tun. Die Strukturen eines Erwachsenen sind dann vollständig in uns angelegt, sie werden aber nicht „aktiviert“. Das heißt, von außen sehen wir aus wie Erwachsene – im Inneren bleiben wir aber im „Jugendlichen-Modus“ stecken. Ist eigentlich klar, dass das nicht gut gehen kann und dennoch basiert der aktuell immer noch vorherrschende Kontext der modernen westlichen Welt genau auf diesem Mechanismus. Dieser Kontext ist das Patriarchat. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir in der Vergangenheit einen großen Nutzen aus der Tatsache gezogen haben, dass wir nicht wirklich erwachsen werden. In „Patriarchat“ steckt das Wort „Vater“, was darauf hinweist, worum es bei dieser Gesellschaftsform geht:

  • Verherrlichung des männlichen Prinzips (Wettkampf, Krieg, Gewinne machen, Verstand herrscht über Gefühl, Tun/Machen ist wichtiger als Sein, Haben ist wichtiger als Sein, …)
  • Hierarchien mit einer (männlichen) Autoritätsperson – „Mache dir die Welt Untertan“
  • Interaktionen zwischen Elternrollenspielern und Kindrollenspielern – beide sind nicht erwachsen und übernehmen keine echte Verantwortung!
  • Macht und Ohnmacht – Herrschen und beherrscht werden
  • Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur für persönliche/egoistische Zwecke, usw.

Das Patriarchat verhindert, dass wir erwachsen werden

Das Patriarchat ist eine Gesellschaftsform, die den Ego-Zustand eines freien, selbstbestimmten, kraftvollen und radikal verantwortlichen Erwachsenen nicht fördert – im Gegenteil, ihn sogar mit allen Mitteln versucht, zu verhindern. Denn dann würde dieses Spiel einfach zusammenbrechen, da niemand mehr Lust hätte, mitzuspielen.

Das heißt, wir leben in einer Gesellschaft, die aus volljährigen Jugendlichen besteht. Menschen, wie du und ich, aber auch sogenannten Autoritätspersonen, wie Lehrer, Priester, Polizisten, Chefs, Konzernbosse, bis hin zu unseren Politikern – allen voran Angela Merkel oder Barak Obama. Alle nichts anderes als volljährige Halbstarke, die noch keine bewusste Initiation ins Erwachsen-Sein durchlaufen haben und sich nicht über ihre versteckten Absichten bewusst sind. Interessante Vorstellung, oder? Schau einfach mal genau hin, was in der Welt passiert:

  • Wir beuten die Ressourcen des Planeten für unsere persönlichen Zwecke aus – und machen uns keine Gedanken was danach kommt.
  • Wir verlassen uns darauf, dass „Vater Staat“ schon für unser Überleben sorgen wird
  • Wir machen Müll und Unordnung (Umweltverschmutzung) und machen uns keine Gedanken, wer das zukünftig aufräumen wird.
  • Wir bleiben bedürftig und sicherheitsorientiert und geben unsere Autorität an Unternehmen, Vorgesetzte und das System ab, anstatt unsere Berufung zu leben
  • Mächtige werden oft nicht zur Verantwortung gezogen für unverantwortliches Handeln
  • Wir haben naive Vorstellungen, z.B.
    • dass der Müll verschwindet, sobald wir ihn in den Mülleimer geworfen haben
    • dass niemand anderer dafür bezahlen muss, wenn wir Billigprodukte kaufen
    • dass das Essen aus dem Supermarkt kommt
    • dass das, was in der Zeitung steht oder im Fernsehen kommt, die Wahrheit ist
    • dass ein Lottogewinn die Lösung aller Probleme darstellt
  • Wir wollen für nichts den vollen Preis bezahlen, aber trotzdem den vollen Nutzen bekommen
  • Wir sind der festen Überzeugung, dass die Dinge eben sind wie sie sind und wir selbst zu klein sind, um sie zu ändern

Und jetzt vergleiche diese Liste einfach mal mit der ersten Liste über das, was ein Kind ausmacht. Fällt dir was auf? Die Resultate dieses Umstandes, dass wir in einer nicht erwachsenen Gesellschaft leben, kannst du sowohl an deinem persönlichen Leben ablesen, aber auch global am aktuellen Zustand unserer Welt. Es ist Zeit die Augen aufzumachen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken: Unsere Gesellschaft und damit die meisten Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, sind nicht erwachsen!

Vielleicht regt sich jetzt gerade Widerstand in dir und du sagst: „Aber ich bin doch erwachsen! Ich arbeite und komme für meinen Lebensunterhalt auf. Ich habe Kinder und sorge für sie.“ Das Problem ist, dass wir Erwachsen-Sein auf eine bestimmte Art und Weise definieren, die aber nicht unbedingt nützlich ist. Die das Erwachsen Sein für uns nicht unbedingt attraktiv erscheinen lässt. Sie führt zu dem eingangs erwähnten Paradoxon: Freiheit: JA – Erwachsen Sein: NEIN! Wir benötigen erst eine neue Sichtweise auf Erwachsen sein und Erwachsen werden, um wieder unvoreingenommen den Zugang zu dieser uns innewohnenden Entwicklungsstufe zu bekommen.

Hier eine Gegenüberstellung von „Erwachsen werden“ bisher und einer möglichen neuen Betrachtungsweise, die das Paradoxon auflösen könnte und Jugendlichen wieder Lust auf das Erwachsen Werden machen könnte, mit allem was dazu gehört.

Erwachsen werden

bisherige Betrachtungsweise

mögliche neue Betrachtungsweise

PHASE 1 Als vollwertiges Mitglied die Gemeinschaft aufgenommen werden
18 Jahre alt werden Den eigenen Platz finden
Endlich machen, was ich will: Die eigene Bestimmung finden
·         Alkohol trinken Kindliche Bedürftigkeit beenden
·         Auto fahren Eigene Autorität entwickeln
·         nachts unterwegs sein Kulturelle Gegebenheiten betrachten, untersuchen, in Frage stellen
·         Sex haben Emotionalen Schmerz der Kindheit vollständig fühlen und Illusionen loslassen
·         Wählen, entscheiden Herausfinden, wozu ich fähig bin (Licht & Schatten, bewusste & versteckte Absichten)
·         Geld ausgeben Sich selbst in einen größeren Zusammenhang stellen
PHASE 2: Verantwortung für die eigene Interpretation der Welt/des Lebens übernehmen
Sich der gesellschaftlichen Norm unterwerfen, sich anpassen, genügen Sich über die eigenen Absichten klar werden
Zertifikate erwerben Aktiver Erwerb von Fähigkeiten und Unterscheidungen, um sich selbst zu sein und beizutragen
„Es“ schaffen, funktionieren Die eigene Vision zum Leben erwecken
Alleine klarkommen
Vernünftig sein, aufzuhören zu fühlen

Der Vergleich macht eines auf den ersten Blick deutlich: der Prozess des Erwachsen Werdens kann nicht über Nacht geschehen – so wie es uns unsere Kultur vorgaukelt, nämlich an dem Tag, an dem wir 18 werden. Es ist ein längerer Transformationsprozess, der aktiv Schritt für Schritt durchlaufen werden muss.

Aber nicht nur Erwachsen Werden, sondern auch Erwachsen Sein braucht eine neue Betrachtungsweise, damit wir endlich den Mut und die Kraft haben, das alte Spiel zu beenden.

Erwachsen sein
bisherige Betrachtungsweise mögliche neue Betrachtungsweise
Die Kindheit ist für immer verloren (Wehmut) Kindheit ist abgeschlossen
Den zivilisatorischen Vorbildern, Regeln, Normen unterworfen sein Freiheit
Ist eine Last Bewusst wählen
Verantwortlich sein = Schuld haben Gefühle besitzen und nutzen
Ist spießig Kreativ sein, Schöpfer der Umstände sein
Bedeutet Alltag (2 Kinder, Hund, Haus, Garten, Kombi …) Zentriert sein
Heißt ausgelernt zu haben Eigene Autorität leben, Kraft besitzen
Heißt, fertig eingerichtet zu sein Wirklich hinschauen, Zusammenhänge sehen
Ernst des Lebens Den eigenen Schatten besitzen, sich über die eigene Absicht bewusst sein
Konkurrenz, Kampf Bereit sein, den vollen Preis zu bezahlen
Sich arrangiert haben Zugang zu radikaler Verantwortung
Kompromisse machen müssen, Opfer der Umstände sein Bereit sein, den Schmerz zu fühlen
Das Leben ist kein Wunschkonzert Im Dienst von etwas Größerem stehen
Taub sein Leben aktiv gestalten
Alles wissen müssen Akzeptanz der Endlichkeit
Realistisch sein, Träume begraben Eigene Bestimmung leben
Haftbar gemacht werden Wirkung entfalten
Nicht lustig, der Spaß ist vorbei Leidenschaftlich leben
Alt sein Einen Unterschied machen
So tun als ob Keine Ausreden, keine Kompromisse
Souverän sein müssen
Kontrolle haben
Ernüchtert
Anstrengend

Wenn du deine Berufung leben willst, musst du dich entscheiden! Bist du bereit, den vollen Preis dafür zu bezahlen – den Preis, den ein Erwachsener bezahlt? Wenn ja, dann ist es an der Zeit, deinen Transformationsprozess ins radikal verantwortliche Erwachsensein zu beginnen.

Echtes Erwachsen-Sein bedeutet „radikale“ Verantwortung zu übernehmen, d.h. Verantwortung für alles, was du tust und nicht tust. Für alles, was in deinem Leben passiert oder nicht passiert. Für alles was in der Welt passiert oder nicht passiert. Keine Ausreden mehr – keine Hintertürchen und keine Sicherheit! Dafür aber Kraft, Gestaltungsfreiheit und Lebendigkeit.

Stell dir vor, wie die Welt aussehen würde, wenn wir in einer erwachsenen Gesellschaft mit radikal verantwortlichen Menschen leben würden. Was für eine Vorstellung!

Herzlichst
Deine Patrizia

 

Possibility Management bietet eine moderne Initiation ins verantwortliche Erwachsensein: www.nextculture.org