Waum unsere guten Vorsätze so oft scheitern

Ist das nicht interessant? Jedes Jahr zum Jahreswechsel das gleiche Spiel. Habt Ihr Euch etwas vorgenommen? Etwas, was Ihr vielleicht schon lange ändern, aufgeben oder anfangen wollt? Aber irgendwie will es einfach nicht klappen. Aber dieses Jahr ganz bestimmt – Indianer-Ehrenwort! Und dann wird zwei, drei Tage, vielleicht auch eine oder zwei Wochen lang, auf Nikotin, Alkohol oder den Fernseher am Abend verzichtet, ins Fitnessstudio gegangen, morgens gelaufen, was das Zeug hält, sich gesünder ernährt, Süßigkeiten weggelassen, meditiert oder was auch immer auf Eurer Liste der guten Vorsätze drauf stand. Es geht ganz gut los – wir nutzen den Schwung des Neubeginns des neuen Jahres, wir fühlen uns gut.

Und dann … nach ein paar Tagen … beginnt jemand heimlich still und leise Sand ins Getriebe zu werfen und der Schwung lässt nach.

Es wird immer schwerer, sich durchzuringen und diszipliniert zu bleiben. Der innere Schweinehund, unser Gremlin, hat mal wieder zugeschlagen aus irgendeiner dunklen Ecke, damit wir ihn nicht erkennen. Er untergräbt und sabotiert unsere guten Vorsätze nach Strich und Faden.

„Naja, eine Zigarette – ist ja nicht so schlimm – immer noch viel besser als vorher.“ Und aus der einen Zigarette werden bald zwei, drei, … und wir sind wieder genau dort, wo wir angefangen haben. „Jeden zweiten Tag Laufen reicht doch völlig aus – der Körper muss sich zwischendrin doch erholen!“ „Ach, heute nicht, ich fühl mich heute einfach nicht so gut. Dafür lauf ich dann morgen und übermorgen.“ Bla, bla, bla … Kommt Euch diese Stimme irgendwie bekannt vor? Sie ist süß und verführerisch und lässt uns morgens eine Stunde länger im Bett liegen, statt Yoga zu machen, obwohl wir uns das eigentlich vorgenommen hatten. Für einen kurzen Moment haben wir unseren Gremlin vom Fahrersitz verscheucht und uns wieder selbst ans Steuer unseres Lebens gesetzt. Und mit seiner süßen, klebrigen Stimme hat er uns nach ein paar Tagen wieder hypnotisiert und sich auf unseren Schoß ans Steuer gesetzt und sich sein Fressen geholt. Lecker, schlabber, schlabber, … Und wenn das passiert, ändert sich auch meist die Stimme unseres Gremlins: „Hab ich dir doch gleich gesagt, dass du das nicht schaffst! Letztes Jahr hat es doch auch nicht geklappt. Warum probierst du es überhaupt? Du bist einfach nicht stark genug. Loser! Weichei! Hihihihi …“ Wir beginnen, uns Vorwürfe zu machen, starten vielleicht noch ein, zwei halbherzige Versuche und dann geben wir mit einem ziemlich schlechten Gewissen auf. Viele meiner Freunde und Bekannten nehmen sich deshalb schon gar nichts mehr vor – weder zu Neujahr noch zu sonst einem Zeitpunkt, weil sie, wie wir alle, die Erfahrung gemacht haben, dass es genau so abläuft.

Aber ist das wirklich eine lebenswerte Strategie, sich nichts mehr vorzunehmen? Zugegeben, vordergründig mag sie uns davon abhalten, uns schlecht zu fühlen und uns Vorwürfe zu machen. Aber mal ehrlich, fühlt es sich wirklich gut an, in vollem Bewusstsein unserem Gremlin – dem König unserer Unterwelt – so mir nichts, dir nichts das Spielfeld, d.h. unser Leben, zu überlassen? Bullshit! Jeder der das behauptet, verdient einen Master-Abschluss im Fach ‚Selbstbetrug‘. Aber was ist die Alternative, was können wir tun, in Bezug auf diesen hinterhältigen, gewitzten, hungrigen, immer lauernden Teil in uns, der so gerne sabotiert und zerstört und Verantwortung und Disziplin scheut, wie der Teufel das Weihwasser?

Mit etwas Geduld und Spucke können wir ihn zähmen und abrichten, denn dieser Teil in uns ist weder gut noch schlecht, sondern er produziert bestimmte Ergebnisse, wenn wir ihm das Feld überlassen. Und meist sind es nicht die Ergebnisse, die wir uns für unser Leben wünschen. Dennoch hat dieser Teil in uns, unser Gremlin, gewisse Qualitäten, die in bestimmten Situationen recht hilfreich sind. Zum Beispiel ist unser Gremlin immer auf der Lauer nach Gelegenheiten, sich sein Lieblingsfutter zu holen, z.B. niederes Drama, Streitereien und Rechthabereien mit unseren Liebsten. Wenn uns unser Gremlin noch unbewusst ist, finden wir uns ungewollt ganz schnell in solchen Situationen wieder und wissen meist gar nicht, wie es dazu gekommen ist. Eigentlich wollten wir einen schönen Nachmittag mit unserem Schatz verbringen und irgendwie endete alles in einem Streit. Wie konnte das nur passieren? Offensichtlich hat unser Gremlin eine kleine Gelegenheit wahrgenommen und genutzt – denn er liebt es, wenn etwas kaputt geht.

Diese Wachheit für ‚Gelegenheiten‘ können wir uns auch zunutze machen, wenn wir unseren Gremlin gezähmt haben. Wir können ihn z.B. darauf abrichten, dass er uns warnt, wenn ein niederes Drama auf uns zurollt, so dass wir die Möglichkeit haben, etwas anderes zu kreieren. Eine weitere Qualität unseres Gremlins, ist die Fähigkeit, etwas zu zerstören. Klingt erst mal nicht gerade nützlich, oder? Dennoch gibt es Momente, in denen es äußerst sinnvoll ist, etwas zu zerstören, zum Beispiel eine liebgewonnene Illusion oder einen Selbstbetrug. Diese Qualität können wir zum Beispiel dazu einsetzen, einem Freund eine gefährliche Frage zu stellen, die sein Leben verändern könnte, statt nett zu sein, um ihn ja nicht zu verletzen. Oder um uns selbst so eine gefährliche Frage zu stellen. Warum bleibst du in einem Job, den du nicht magst und in dem du keinen Sinn siehst? Warum isst du mehr, als dein Körper verdauen kann? Was müsstest du aufgeben, wenn du radikal ehrlich zu dir selbst wärest? … Doch ganz schön nützlich diese Gremlin-Qualitäten, oder? Es gibt noch ein paar mehr davon. Aber, wie gesagt, wir erhalten nur Zugang zu diesem Qualitäten, wenn wir es schaffen, unseren Gremlin zu zähmen und ihn, wie einen Hund (innerer Schweinehund), an einer kurzen Kette (eine Leine wäre nicht stark genug) an unserer Seite haben und er auf unsere Kommandos hört.

Und wie funktioniert diese Gremlin-Zähmung? Sie funktioniert in drei Schritten:

1. Gremlin ist Gremlin

Die erste und grundsätzliche Bedingung ist, dass wir anerkennen, dass es diesen Teil in uns gibt, dass er überhaupt existiert und dass er ein Teil von uns ist. Dieser Teil von uns geht auch nicht weg, wir können ihn nicht töten oder ‚überwinden‘. Einige New Age-Richtungen versuchen genau das. Wenn du nur weit genug entwickelt bist und genug meditiert hast, dann hast du deine Unterwelt ‚sublimiert‘ und wirst erleuchtet. Oder so ähnlich. Oder die strengen religiös/kirchlichen Richtungen, die versuchen durch Selbstbestrafung und Buße den Gremlin ‚auszutreiben‘. So funktioniert es einfach nicht – je mehr wir eine Sache leugnen oder loshaben wollen, desto stärker wird sie.

2. Den Gremlin entlarven

Unser Gremlin gedeiht am besten in der Unbewusstheit – in den dunklen Ecken unserer Wahrnehmung. Von dort aus kann er am besten agieren und genau dann ‚zuschlagen‘ wenn wir es am wenigsten erwarten. Das heißt im Umkehrschluss, der sicherste Weg zur Gremlin-Zähmung ist Bewusstheit. Bewusstheit über unseren Gremlin-Anteil bekommen wir schon alleine dadurch, dass wir uns unseren Gremlin genau anschauen. Versucht einfach so viel wie möglich, über ihn herauszufinden. Lernt ihn so richtig gut kennen. Dann wird es ihm nicht mehr gelingen, aus dem Hinterhalt zu agieren. Es ist nützlich zum Beispiel folgendes herauszufinden:

  • Wie sieht er aus? Male ein Bild von deinem Gremlin!
  • Wie heißt er? Sprich ihn mit seinem Namen an! Du musst ihn jederzeit bei Fuß rufen können!
  • Was ist sein Lieblingsfutter?

Beispiele für typisches Gremlinfutter:

  • Den Tag nicht ohne Kaffee beginnen können
  • Ständig Süßigkeiten, Schokolade, Kuchen, Plätzen essen
  • Machtkämpfe und Rechthaberei mit dem Partner austragen
  • Regelmäßig Cola und Fast Food
  • Rauchen
  • Regelmäßig Alkohol trinken
  • Shopping-Anfälle
  • Tratschen und Lästern über Leute, die nicht anwesend sind
  • Videospiele spielen bis der halbe Tag vorbei ist
  • Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Serien schauen
  • Jammern, sich beschweren, im Auto andere Autofahrer beschimpfen
  • Ständig zu spät kommen
  • Bei jeder Gelegenheit flirten
  • Schadenfreude, sich über andere lustig machen, spitze Bemerkungen
  • Wann hat er Hunger? Braucht er einmal pro Woche eine größere Mahlzeit oder ist er eher ein Snacker und braucht dreimal täglich kleine Häppchen?
  • Was sind sonst so seine Gewohnheiten?

3. Regelmäßige Fütterung und interessante Aufgaben

Habt Ihr schon mal im Fernsehen den Hundeprofi gesehen? Nein? Aber Ihr wisst sicher, dass es Hundeschulen gibt und Hundetrainer. Dabei werden Hunde trainiert und darauf abgerichtet, auf die Kommandos ihrer Herrchen zu hören und zwar in jeder Situation. Beim Gremlin-Zähmen ist es ähnlich. Eine der wichtigsten Punkte beim Gremlin-Zähmen ist die regelmäßige bewusste Fütterung des Gremlins. Denn nur, wenn der Gremlin weiß, dass er regelmäßig seine Lieblingsspeisen von Euch zu fressen bekommt, wird er kooperativ sein und sich sein Futter nicht mehr selbst holen, wann er es will. Eine Möglichkeit wäre es zum Beispiel, an einem von Euch bestimmten Tag in der Woche, z.B. Samstags, Eurem Gremlin von morgens bis abends seine Lieblingsspeisen vorzusetzen. Er darf Filme schauen, Videospiele spielen und Fast Food und Süßigkeiten essen – wenn das sein Lieblingsfutter ist. Wenn Rechthaberei sein Lieblingsfutter ist, dann wäre z.B. ein Gesellschaftsspiel bei dem es um Wissen geht eine super Möglichkeit ihn zu füttern.

Der zweite wichtige Punkt bei Gremlin-Zähmen ist, dass Euer Gremlin interessante Aufgaben bekommt, denn sonst langweilt er sich und wenn ihm langweilig ist, ratet mal, was er dann tut? Und jetzt wird es spannend, denn Ihr könnt Euren Gremlin genau für die Ziele und Absichten einsetzen, die er in unbewusstem Zustand so gerne sabotiert hat. Ihr könnt seine Kraft und Wachheit, seine Fähigkeit zu zerstören, zum Beispiel dafür einsetzen, dass ihr eure guten Vorsätze durchzieht, bis zu dem Punkt an dem euer guter Vorsatz zu neuem Verhalten wird. Gebt ihm die Aufgabe, dass er jeden noch so kleinen Widerstand aufspürt und ‚zerstört‘ bevor er größer werden kann. Das hört sich paradox an – aber es funktioniert! Statt eure guten Vorsätze zu sabotieren, richtet ihn dazu ab, die Sabotage zu sabotieren! Und glaubt mir, das ist eine sehr interessante Aufgabe für Euren Gremlin – es wird im nicht langweilig werden!

4. Piratenabkommen

Wenn du ganz auf Nummer Sicher gehen möchtest in Bezug auf deine guten Vorsätze, dann gibt es noch die Möglichkeit, dem Gremlin einer anderen Person eine interessante Aufgabe zu geben, in Form einer Abmachung, die du mit dieser Person triffst. Das nennt sich Piratenabkommen. Hier ein Beispiel: Ich selbst habe mir vorgenommen, unter der Woche um 06.00 Uhr aufzustehen, um morgens genügend Zeit zu haben, um zu meditieren, zu laufen und Yoga zu machen. Mein Freund steht jeden Tag um 05:45 Uhr auf und geht um 06:10 Uhr aus dem Haus. Ich habe mit ihm ein Piratenabkommen getroffen, dass er – falls ich nicht von selbst aufstehe – dafür sorgt, dass ich aufgestanden bin, bis er das Haus verlässt. Ich habe ihm die Erlaubnis gegeben, dafür alle Mittel einzusetzen, die ihm einfallen – alle !! – und ihn gebeten, auf keine Ausrede von mir zu reagieren – egal wie nachvollziehbar oder mitleiderregend sie auch sein mag. Es funktioniert! Seine Kitzelattacken reichen vollkommen aus, ich habe nämlich keine Lust, im Bett mit einem Eimer eiskalten Wasser übergossen zu werden.

Manchmal – wenn ihr etwas wirklich Schwieriges vorhabt – macht es Sinn, auch ein ‚Piraten-Opfer‘ auszumachen für den Fall, dass Ihr trotz des vollen Einsatzes des Piraten-Kollegen, rückfällig werdet. Dieses Opfer muss wirklich weh tun! Z.B. ein hoher Geldbetrag, den Ihr einer Organisation spenden müsst oder Ihr verpflichtet Euch, Euren Piraten-Kollegen einen Monat lang von vorne bis hinten zu bedienen, oder oder oder. Aber, es muss etwas sein, das Euch wirklich weh tut. Harbigarrr!

Wichtig ist bei aller Gremlin-Zähmerei und der Umsetzung von Zielen und Vorsätzen nicht neurotisch zu werden und daraus dann wieder unbewusstes Gremlin-Futter zu kreieren. Hilfreich ist dabei immer die Haltung eines Forschers und Abenteurers. Dann kann die ganze Sache mit den Vorsätzen zu einer sehr interessanten und spannenden Lernreise werden.

Na Lust bekommen, es auszuprobieren? Es ist erst eine Woche im neuen Jahr vergangen, also ist es noch nicht zu spät mit den gefassten Vorsätzen zu experimentieren oder sich – falls Ihr es noch nicht getan habt – erst mal neue Ziele zu setzen. Viel Spaß dabei!

Herzlichst,
Eure Patrizia