In unserer Kultur gibt es keine Brücke ins verantwortliche Erwachsensein

Kennt Ihr die Geschichte von Peter Pan? Ich glaube, jeder hat zumindest schon mal von ihm gehört, diesem frechen unbändigen kleinen Kerl, der nie erwachsen wird. Ich mag die Geschichte sehr und natürlich liebe ich auch die Figur des Pan – zumindest zu einem Teil. Das, was wir an ihm so bewundern, ist die Freiheit, in der er lebt, die Ungebundenheit, die ihm die Möglichkeit gibt, zu tun und zu lassen, was er will. Auch seine Nicht-Linearität und seine Rebellion gegen das Establishment begeistern uns. Er hat eine Bande von Jungs um sich herum, die zu ihm halten und ebenfalls nicht erwachsen werden. Und: er kann fliegen – überall hin!

Und dennoch bin ich jedesmal sehr traurig über die verborgene Tragik der Geschichte, weil mein Herz ganz klar fühlt, was Peter versäumt durch seine Entscheidung, nicht erwachsen zu werden. Er lebt in einer Phantasiewelt – während die echte Welt da draußen für ihn ein Mysterium bleibt.

Unsere Kultur gaukelt uns vor, dass wir mit 18 erwachsen sind – einfach so – von einem Tag auf den anderen. Quasi über Nacht passiert mit uns eine wundersame Transformation vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Wir dürfen Auto fahren, wählen, Alkohol konsumieren und FSK 18 Filme sehen. Aber mal ganz ehrlich, sind das die Attribute, die einen Menschen zum Erwachsenen machen? Erwachsensein und Erwachsenwerden ist in unserer Gesellschaft zudem auch gar nicht populär. Es wird häufig gleich gesetzt mit: langweilig, spießig, angepasst. Ein Reihenhäuschen in der Vorstadt mit Garten, Hund, zwei Kindern und einem Kombi in der Garage. So stellen wir uns häufig das Erwachsensein vor. Wenn du erwachsen bist, dann ist der Spaß vorbei! Da wünschen wir uns doch lieber zurück nach Nimmerland und schließen uns der Bande von Peter Pan – den verlorenen Jungs – an.

So ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die meisten von uns gar nicht erwachsen werden. Wie sollte das auch gehen, ohne einen bewussten Übertritt, eine bewusste Transformation vom Jugendlichen zum Erwachsenen? Und dabei meine ich aber nicht nur diejenigen, die bewusst dem Beispiel von Peter Pan folgen und alles dafür tun, um nicht erwachsen zu werden! Sondern auch diejenigen, die erwachsen zu sein ‚scheinen‘, die sich anpassen, die sich ins System einfügen und den vorgetretenen Weg einschlagen, weil sie denken, dass das zum Erwachsensein gehört und ihnen am meisten Sicherheit bietet. Gleichzeitig träumen sie aber dabei die ganze Zeit vom Nimmerland. Das heißt die Bevölkerung der modernen westlichen Welt besteht zum Großteil nicht aus verantwortlichen Erwachsenen, sondern aus Jugendlichen, aus Heranwachsenden: den Peter Pans und denen, die davon träumen, wie Peter Pan zu sein.

Das ist weder gut, noch schlecht. Dennoch führt es zu bestimmten Ergebnissen, die wir am Zustand unseres Planeten, aber auch am Zustand unseres persönlichen Lebens, ablesen können:

  • Wir wissen nicht, was wir mit unserem Leben sinnvolles anfangen sollen, welchen Beitrag wir zum großen Ganzen beisteuern können – wir können noch nicht mal sagen, welche Talente, Stärken und Fähigkeiten wir haben
  • Statt das Risiko einzugehen, inspiriert unsere Berufung zu leben, quälen wir uns jahrelang in verhassten Jobs, bei denen wir unsere innere Wahrheit verleugnen müssen, nur um vermeintliche Sicherheit zu haben. Während der ganzen Zeit träumen wir vom Urlaub und von der Rente (= Nimmerland).
  • Wir verlassen uns darauf, dass Vater Staat und die Krankenversicherung für uns aufkommen, wenn es uns schlecht geht.
  • Wir bleiben lieber in Beziehungen, in denen es keine wirkliche Intimität, Verbindung und Nähe mehr gibt, als das Risiko einzugehen, etwas zu verändern oder eine Zeit lang alleine zu sein.
  • Wir folgen blindlings den uns vorgesetzten Ritualen (z.B. die Art, wie Weihnachten gefeiert werden muss), den Medien, der Mode etc. ohne bewusst darüber nachzudenken, was wir wirklich wollen und was uns wirklich entspricht.
  • Wir versuchen, ‚Ersatzfreiheiten‘ zu ergattern, z.B. in Form eines schnellen Autos, der Anhäufung von materiellen Werten, Glückspiel oder einem Urlaub in einem weit entfernten Land – all inclusive …
  • Wir sind nicht in der Lage Grenzen zu setzen, ‚Nein‘ zu sagen, wenn wir Nein meinen, und ‚Ja‘ zu sagen, wenn wir Ja meinen
  • Wir verbrauchen die Ressourcen unseres Planeten, als gäbe es kein Morgen.
  • usw.

 Oder wir tun genau das Gegenteil – wir lehnen uns gegen alles auf, sind gegen alles, was Mainstream ist – Hauptsache nicht normal.

Wir haben die Überzeugung in uns, dass Verantwortung und Erwachsensein das Gegenteil von Freiheit ist. Und mit dieser Überzeugung sitzen wir in der Falle – genau wie Peter Pan! Denn genau wie Nimmerland eine Phantasiewelt ist, ist der Glaube, dass wir Verantwortung vermeiden können, eine kindliche Illusion. Wir sitzen, wie die verlorenen Jungs, vor leeren Tellern und tun so, als ob die köstlichsten Speisen darauf liegen – und dabei verhungern wir, weil alles nur eine schöne Illusion ist.

In Wirklichkeit sind Freiheit und Verantwortung bzw. verantwortliches Erwachsensein unabdingbar miteinander verbunden. Erst wenn wir Verantwortung übernehmen, sind wir wirklich frei. Wenn wir niemanden mehr beschuldigen, keine Rechtfertigungen mehr suchen, nicht mehr auf den Prinzen mit dem weißen Pferd warten oder auf die Sicherheit eines warmen Bürostuhls in einem Unternehmen, dem wir unsere Seele verkaufen. Wenn wir also andere Resultate in unserem Leben erzielen wollen, ist es notwendig, den Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein zu vollziehen. Denn das, wonach wir uns wirklich sehen, echte Liebe, Sinnhaftigkeit, echte Verbundenheit, einen Beitrag leisten usw., können wir nur in der wirklichen Welt erleben, und zwar dann, wenn wir die Verantwortung dafür übernehmen, diese Dinge zu kreieren.

Leider stellt uns unsere gewöhnliche Kultur und Ausbildung diesen Übertritt ins verantwortliche Erwachsensein nicht zur Verfügung. Was es braucht, sind moderne Möglichkeiten zur bewussten Transformation, die in unsere Zeit und in unsere Kultur passen. Was es weiterhin braucht, ist etwas Mut und die Sehnsucht, Schöpfer des eigenen Lebens zu sein, statt Opfer der eigenen Umstände.

Es gibt auch noch eine andere Peter Pan –Version, einen Film mit Robin Williams mit dem Titel ‚Hook‘. In dieser Version hat sich Peter Pan dann doch irgendwann entschieden, erwachsen zu werden. Denn seien wir mal ehrlich: es gibt zwar vielleicht diesen Teil in uns, der nicht erwachsen werden will, aber welche erwachsene Frau möchte schon Peter Pan zum Mann? Und welcher erwachsene Mann möchte an der Seite eines kleinen verwöhnten Mädchens leben? Welcher mündige Bürger hätte nicht gerne einen verantwortlichen Erwachsenen, der das Land regiert?

Also, es wird Zeit, erwachsen zu werden, Peter Pan!

Herzlichst,
Eure Patrizia

Nützliche Fragen:

  • Wie ist deine Überzeugung in Bezug auf Erwachsen sein?
  • Sind Freiheit und Verantwortung für dich noch Gegensätze?
  • Wo verkaufst du noch deine innere Wahrheit, um dich sicher zu fühlen? In deiner Arbeit? In deiner Beziehung?
  • Wo wartest du noch auf den Prinzen, den Retter, das Glück von außen? Hängst du noch den Träumen von der Rente oder vom Lottogewinn nach?

Die Möglichkeit zur modernen Initiation ins verantwortliche Erwachsensein bietet die Ausbildung zum Possibility Manager. Mehr unter www.lebe-deine-berufung.de oder www.nextculture.org.